Tee und Thron
Die Präsentation von Kunst aus Japan und China offenbart eine neue Weltordnung.
Am 15. Februar 2022 nahm uns unser Guide Ulf Meyer mit auf einen virtuellen Architekturspaziergang zum Humboldt-Forum, einem großen kulturellen Schatz im Herzen Berlins. Der Fokus lag auf zwei konträren zeitgenössischen Architekturen, die die weltpolitischen Gewichte in Ostasien aufzeigen. "Die chinesische Kultur wird mit kaiserlicher Pracht dargestellt, die japanische Kunst mit einer reduzierten Zen-Ästhetik und Nachkriegsgeschichte", erklärte Meyer. In der Hülle des barocken Schlosses sind nur wenige der 13.000 Artefakte, der umfangreichsten Sammlung nordostasiatischer Kunst in Deutschland, zu sehen. Meyer lenkte unsere Aufmerksamkeit auf zwei besondere Schöpfungen von Architekten aus Japan und China: Jun Ura aus Kanazawa entwarf ein Teehaus als Raum-im-Raum, Wang Shu setzte auf königliche Pracht. Die verschiedenen Kulturen, die nebeneinander gezeigt werden, zeigen die Stadien ihrer globalen Bedeutung und Blüte in der heutigen neuen Weltordnung. Das Reich der Mitte entwickelt sich zur Weltmacht, in der der Kommunismus an die Stelle des Kaisers getreten ist, während Japan in der Nachkriegszeit stecken geblieben zu sein scheint. China hat eine 8 m hohe, zentrale Halle erhalten, während die japanische Sammlung in parallelen Bahnen und niemals axial gezeigt wird. Wang, der Baumeister aus Hangzhou, verbindet chinesische Bautechniken und Materialien mit der Moderne. Eine poetische und atmosphärische Kraft kennzeichnet Wangs Werke, wie bei der Kunstakademie in Hangzhou, für die Wang zwei Millionen Ziegelsteine aus abgerissenen Gebäuden wiederverwendete.
Die Japan-Ausstellung scheint geschlossen zu sein: Die Rollbilder, Keramik- und Lackarbeiten werden in nüchternen Metallvitrinen präsentiert, die nichts von der japanischen Omote-Nashi-Kultur erahnen lassen. Der Schwerpunkt liegt auf der weltlichen Nihonga-Malerei, aber die auratischen Kunstwerke werden wie aufgespießte Schmetterlinge in einer Vitrine präsentiert. Ralph Appelbaum aus New York, der die allgemeinen Exponate gestaltete, zeige keine Affinität zur ostasiatischen Ästhetik, kritisierte Meyer. Er war sehr begeistert vom Teehaus als Ort des Geistes und der Kunst. Die Form erinnert an die Pyramidenturmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (Der hohle Zahn) und damit an die Erfahrung der fast totalen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, die Deutschland und Japan gemeinsam hatten. Ura wollte ein Teehaus schaffen, das "die Schönheit der Teezeremonie unter Berücksichtigung der Unvollkommenheit des Menschen zeigt‘, wie Ura es ausdrückt. Das Teehaus ist aus Cortenstahl, Washi-Papier, lackiertem Holz und Lehmputz gefertigt. Seine achteckige Form steht im Gegensatz zur orthogonalen Geometrie der acht Tatami-Reis-Stroh-Matten im Raum. Die rückwärtsgewandte Gestaltung leckt historische Wunden, nutzt aber den Blick auf den Lustgarten und Schinkels Altes Museum.
Wir haben bei dem hochinteressanten Vortrag von Herrn Meyer viel gelernt, und die lebhafte Diskussion im Anschluss zeigte, dass alle darauf brennen, das Humboldt-Forum und vor allem diese Ausstellungen (wieder) persönlich zu besuchen.
Humboldt Forum Foyer
Fridolin freundesfett - own work
CC BY-SA 4.0
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14 August 2021, 17:02:53